Nach einigen Tagen in Bulgarien fuhr ich etwas leichtfüßiger ohne Koffer von Plovdiv in Richtung Edirne (Türkei). Das Wetter was sehr wechselhaft, weshalb ich mal wieder die Regenkombi herausholen musste. In meiner Regenkombi bin ich sehr auffällig, vor allem mit Helm auf dem Kopf sehe ich aus, als wäre ich vom anderen Planeten. Ein Astronaut auf zwei Rädern wurde ich mal genannt.
Je näher ich mich der türkischen Grenze näherte, desto mehr Fahrzeuge mit deutschen Kennzeichen teilten mit mir die Straße. Am Grenzübergang war gefühlt jedes 3-4 Auto mit deutschen Kennzeichen. Es waren meist deutschtürken auf dem Weg in die Türkei, auf Familienbesuch wie ich später erfuhr.
Ich war etwas nervös als ich die türkische Grenze passierte, denn ich fühlte mich schon fasst in Asien. Es verlief zum Glück alles problemlos und ich war endlich in der Türkei. Um türkische Autobahnen benutzen zu dürfen, war nun die Aufgabe die so genannte HGS Karte zu kaufen. Nach mehrfachen fragen, fand ich eine Poststation, bei der ich die Karte endlich erwerben konnte.
Kaum war ich in der Türkei angekommen und schon wurde ich von einem deutschtürken aus Essen zum Tee pardon Chai eingeladen, da ich noch bei Helligkeit Istanbul erreichen wollte, habe ich dankend abgelehnt und fuhr geradewegs in östliche Richtung, dabei erstreckte sich das Marmarameer zu meiner rechten. Begeistert und hungrig nach Entdeckung kam ich Istanbul immer näher.
Der Verkehr wurde langsam dichter, etwas aufgeregt unterm strömenden Regen und voller Erwartung nach gefährlichen Fahrmanövern Istanbuler Autofahrer, fuhr ich nach Fatih der Altstadt von Istanbul. Entgegen der Erwartung empfand ich den Verkehr nicht sooo chaotisch und gefährlich, viel chaotischer und gefährlicher fand ich die engen, nassen und mit Kopfsteinpflaster bedeckten Gassen der Altstadt (ich war heilfroh meine Seitenkoffer nicht dabei zu haben). Nach einer Stunde fand ich erst das Hotel, das ich zuvor gebucht hatte, leider war die Standortangabe nicht richtig, wohl eine Masche, um Gäste anzulocken… Im Hotel angekommen wurde mir mitgeteilt, dass etwas mit meiner Kreditkarte nicht in Ordnung gewesen sei und das Zimmer was ich zuvor gebucht hatte, inzwischen vergeben war, da stand ich nun stinksauer bei Regen und Dunkelheit ohne Zimmer. Zwei Stunden nach viel Buchungsabenteuer checkte ich in ein anderes Hotel ein. Mit etwas Glück fand ich noch ein Restaurant, das mir gegen 11 Uhr mein Abendessen servierte.
Am Tag darauf war das Wetter etwas besser, ein wenig zeigte sich die Sonne und man spürte den Frühling. Ich packte meine Kamera aus und machte mich auf dem Weg die vielen Sehenswürdigkeiten von Istanbul für sich zu entdecken. Es war Samstag und es waren sehr viele Menschen unterwegs, nicht nur einheimische auch Menschen aus verschiedensten Ländern und Kulturkreisen.
Ich lief umher und erkundete die Stadt, irgendwann war ich müde vom Laufen am Gezi Park angekommen. Ein Viertel des Parks war durch ein Polizeicamp besetzt, eine Dauerpräsenz, um bei jeglichen Menschenansammlungen unmittelbar reagieren zu können.
Ich nutzte die Gelegenheit mich auf einer Bank im Park etwas auszuruhen und ohne es zu merken bin ich für ca. ¾ Stunde eingenickt, der frische Aprilwind hat mich dann doch wachgerüttelt.
Mein Plan war es eigentlich die Schwarzmeerküste der Türkei abzufahren und dabei den Norden zu entdecken. Doch der Blick in den Wetterbericht sah ziemlich trüb aus, Regen und Schnee war angesagt. Zu meinem Pech startete der Frühling ca. drei Wochen später als sonst, deshalb beschloss ich nach Süden in die Ägäisregion auszuweichen, da die Wetterverhältnisse etwas besser schienen.
Nächste Station nach Istanbul war Izmir, auf dem Weg dorthin hatte ich hin und wieder einen Blick auf das Meer, da ich etwas spontan entschieden habe in Richtung Süden zu fahren, war ich nicht gut vorbereitet, so bin ich beispielweise blind an der antiken griechischen Start Pergamon vorbeigefahren und habe mich später etwas geärgert. Spontane Entscheidungen habe auch ihren Preis.
Die Seitenkoffer hatten einen entscheiden Vorteil, ich hatte mehr Platz zum Sitzen, nun musste die Campingausrüstung in meiner Tasche untergebracht werden, mit der Folge, dass ich weniger Platz zum Sitzen hatte. Da sich meine Sitzposition geändert hatte, bekam ich Nackenschmerzen, es hängt doch alles irgendwie zusammen … in Izmir angekommen suchte ich ein türkisches Bad (Hamam) auf. Hier wurden mir auch einige Blockaden der Nackenmuskulatur gelöst.
Von Izmir ging es an Pamukkale vorbei nach Isparta. Aufgrund des schlechten Wetters habe ich in Pamukkale am Fuße der Thermalwässer nur Mittaggegessen, ohne die Kalksteinterrassen zu besuchen.
Je weiter ich in Richtung Osten fuhr, umso gebirgiger wurde es, es war gefühlt noch Winter, wenig grün und karge Landschaften. Die tiefen Wolken über dem Horizont dramatisierten diese noch zusätzlich. Am Fuße vieler Gebirge befanden sich Steinbrüche und/oder Zementfabriken. Ich hatte den Eindruck, dass die Türken gerne bauen würden. Dies merkte man auch an den Straßen, denn sie waren meist im sehr guten Zustand.
Von Isparta ging es zum nahegelegenen Kratersee und Nationalpark Gölcük Gölü, doch das Wetter machte mir wieder einen Strich durch die Rechnung, statt des türkisblau, sah ich nur das grau der tief gelegenen Wolken im Gölcük See. Pech gehabt …
Etwas mehr Glück hatte ich beim Besuch der antiken griechischen Stadt Sagalassos. Nur wenige Touristen waren anwesend und so konnte ich in Ruhe die Überreste der imposanten Stadt für sich entdecken.
Weiter ging es bei Regen und Temperaturen um 3-4 Grad in Richtung Konya. Etwa 50 km davor hielt ich zum Tanken an und wurde von einen Erdkundelehrer namens Mehmed zum Tee eingeladen. Er erzählte mir mit sehr gebrochenem English, dass er sein Beruf liebt und seine Schüler sehr gerne hat. Der Mehmed war mit einem 250 ccm Motorrad ebenfalls nach Konya unterwegs, allerdings in Halbschuhen leichten Stoffhosen und Bomberjacke gekleidet. Kurz vor Konya habe ich ihn dann zum Tee eingeladen, wie er die kalten Bedingungen durgestanden hat, war mir ein Rätsel.
Einen Tag darauf auf dem Weg nach Kappadokien war das Wetter etwas trockener, die Landschaften sehr schön und ich hatte genug vom Asphalt. Seit Beginn der Reise fuhr ich mit einer Drohne und konnte diese nur einmal in Rumänien nutzen. Ich fand eine sehr schöne hügelige Landschaft und bin von der Straße abgefahren … erst einmal quer durch ein Dorf, die Straße im Gelände war gut befahrbar, ich packte meine Drohne aus und mache einige schöne Aufnahmen.
Weiter im Horizont fand ich ebenfalls etwas interessantes und wollte hin … doch die lehmige Straße war nur an der Oberfläche etwas trocken, darunter nicht, der Lehm klebte an den Reifen und blockierte mir das Vorderrad, natürlich musste das auch noch in einer schrägen Straßenlage passieren, weshalb ich das Motorrad nicht auf dem Seitenständer abstellen konnte. Ich musste das Motorrad auf dem Boden legen und damit sich das Rad wieder drehen ließ, den Dreck zwischen dem Vorderrad und Fender zunächst herauskratzen, um es dann in eine sichere Stelle zu bewegen. So hatte ich schnell genug vom Gelände und wollte nur noch auf die Straße 😊, dieser Miniausflug ins Gelände hat mich deutlich mehr Zeit gekostet als ich es eigentlich wollte.
Nicht weit vom Göreme also dem Dorf mit den berühmten Felshäusern traf ich auf drei russische Biker. Wir haben recht schnell beschlossen gemeinsam in Göreme die Zeit zu verbringen und sind in ein schönes Hotel eingecheckt. Anschließend haben wir in einem nahegelegenen Restaurant gut gegessen und einige obligatorische Vodka Gläser getrunken, ein Fehler von mir wie sich das später herausstellte.
Am darauffolgenden Tag hatten wir sehr viel Glück mit dem Wetter gehabt, bei Sonnenaufgang war der Himmel klar und mit unzähligen Heißluftballons übersäht. Die Landschaft war atemberaubend schön, wir waren sehr, sehr, sehr beeindruckt. Dank der Drohne konnte ich einige unglaubliche Aufnahmen machen. Wir verbrachten zwei Tage in Göreme und verabschiedeten uns dann, die Jungs waren in Eile nach Batumi, um deren Flug nach Moskau nicht zu verpassen. Sie fuhren sehr große Maschinen und machten je Tag das Zweifache meiner üblichen Tagesstrecke.
Mit sehr positiven Eindrücken von Kappadokien machte ich mich auf dem Weg in Richtung Norden, nach Sivas. Auf der Route machte ich einen Abstecher zur Sultanhani Karawanserei. Keine Touristen, ich konnte die Karawanserei ganz allein für sich entdecken. Sehr beeindruckend.
Die Stadt Sivas war sehr beschäftigt, in der Stadtmitte befanden sich mehrere Moscheen, eine Karawanserei und Bäder.
In ganz Türkei war mir die recht hohe Dichte an Moscheen aufgefallen, selbst in kleinen Dörfern sieht man mehreren Moscheen. Das führt dazu, dass beim Ruf des Muezzins sich die Gesänge mehrerer Muezzins überlagern. An manchen Orten sind Lautsprecher angebracht, durch die Verzögerung der Signalübertragung kommt es zu einer Art Dopplereffekt.
Ich bezog in Sivas ein supertolles Zimmer zum sehr günstigen Preis in zentraler Lage und machte mich auf dem Weg, um die Stadt zu erkunden. Nach der Erkundungstour und Abendessen habe ich das dem Hotel zugehörende türkische Bad genutzt und meine blockierte Nackenmuskulatur durch eine medizinische Massage etwas lösen lassen. Die Spa Abteilung war in fester Hand einer kirgisischen Familie, die in dem Hotel als Gastarbeiter tätig ist. Sie waren überglücklich sich mit mir in russischer Sprache unterhalten zu können.
Die Yuldiz, die sich auf Massagen spezialisiert hat, hat mir während der Massage so einiges erzählt. Sie verdienen jeweils 400$ im Monat und arbeiten 6 Monate am Stück, danach fahren Sie für einige Wochen Nachhause, um das Ersparte an die restliche Familie zu übergeben. Das Hotel dürfen sie nur einmal in der Woche für nur 4 Stunden verlassen. Morgens gehört zu deren Aufgaben der Zimmerservice, danach waschen sie die Wäsche und anschließend arbeiten sie im Spa Bereich. Es sei schwer sagte sie, allerdings immer noch besser als gar nichts in Kirgistan zu haben und sie hoffe, dass ihre Kinder durch Bildung ein besseres Leben haben werden. Sie erzählte mir, dass die Gastarbeiter in der Türkei nicht besonders gut behandelt werden und sie im Spa Bereich oft von türkischen Männern zu „mehr“ aufgefordert wird. Ich sprach Yuldiz bzgl. des in Kirgistan gelebten und inzwischen wieder legalen Brautraubs an, sie erzählte mir, dass auch sie im Alter von 19 Jahren Opfer dieser „Tradition“ geworden ist. Mit ihren „Ehemann“ hat sie im Alter von 29 Jahren drei Kinder und an sowas wie Liebe zwischen zwei Menschen glaube sie nicht. Ihr Mann ist arbeitslos und sie sei Alleinverdienerin.
Diese Begegnung machte mich für viele Tage nachdenklich und ich hatte sowas wie schlechtes Gewissen, weil ich mich zunächst über den günstigen Preis von 16 Euro die Nacht inkl. Frühstück gefreut hatte, denn nun verstand ich weshalb das Hotel so günstig war, unter anderem durch die moderne Sklavenhaltung.
Vor dem ersten Weltkrieg bestand die ethnische Bevölkerungszusammensetzung in Sivas zu einem Drittel aus Armeniern, diese wurden jedoch zur Zeit des ersten Weltkrieges vertrieben bzw. ermordet. Dieses Schicksal teilten viele Armenier in Zentral und Ostanatolien.
Von Sivas aus ging es dann über Tokat in Richtung Schwarzmehrküste. Das Wetter war ungemütlich, regnerisch und kalt. In Tokat machte ich Ausschau nach einem Cafe, als ich an einer Ampel stand, klopfte mir ein Fahrradfahrer auf die Schulter und lud mich zum Chai ein, wie passend dachte ich mir. Es stellte sich heraus, dass dieser Fahrradfahrer der Yashar heißt, Mitglied des lokalen Motorradclubs ist. Der Yashar erzählte mir ganz stolz von dessen Unternehmungen auf dem Motorrad und brachte mich zu seinen besten Kumpel Dogan, den Präsidenten des Clubs, gemeinsam zeigten sie mir dessen Motorräder und Bilder der letzten Reisen. Aus der kurzen Teepause wurde eine lange, sehr lange Mittagspause.
Danach ging es weiter bei noch ungemütlicheren Temperaturen von bis zu -6 Grad, Schnee und Schneeregen. Auf einem der Pässe lag auf der Straße viel Schnee und ich musste mich teilweise sehr langsam fortbewegen bei einer überfahrt durch eine Schneeanhäufung, habe ich mich bei ca. 10 km/h abgelegt, dabei gleitet ich samt Motorrad über die Straße. Zum Glück ist nichts passiert, ein entgegenkommender Autofahrer eilte mir zur Hilfe, um das Motorrad aufzuheben. Eigentlich bin ich einen längeren Weg gefahren, um diesen Schneesturm auszuweichen, doch ich fand mich mitten drin wieder, Pech gehabt. Durch die langsame fahrt schaffte ich ist es nicht bis nach Giresun und übernachtete in Fatsa.
Der verspätete Frühling machte mir ein Strich durch die Rechnung, denn ich habe mich auf eine milde, warme frühlingshafte Türkei eingestellt, stattdessen hat es die letzten zwei Wochen fasst ununterbrochen geregnet. Auch am 21 April, meinen Geburtstag machte das Wetter keine Ausnahme, die von mir anvisierten Ausflugsziele habe ich wegen dem schlechten Wetter nicht angesteuert. In einem Cafe direkt am Meer gönnte ich mir eine Pause für heißen Tee und „Geburtstagskuchen“, ich nutzte die Gelegenheit meine Familie anzurufen und mich bei allen für den Video Glückwünsch zu bedanken den Natalia arrangiert hatte, das hat mich sehr, sehr gefreut.
Ohne weitere Pausen ging es geradewegs entlang vieler Teeplantagen nach Georgien. Der Grenzübergang ging etwas verzögert. Nach dem ich mich auf dem georgischen Boden bewegt hatte, vermisste ich bereits die türkischen Straßen. Von hier aus dachte ich mir, beginnt die Zeit der bescheidenen Straßen.
Insgesamt habe ich die Türkei als sehr warmherzig und gastfreundlich empfunden. Die Landschaften sind sehr schön, abwechslungsreich und bei etwas mehr Sonnenschein würde es auch deutlich mehr Spaß machen. Die Türkei ist definitiv einer Reise wert.
Endlich wieder eine Fortsetzung des Blogs und noch dazu relativ umfangreich, mit viel Beschreibungen und tollen Fotos, weiter so und alles Gute !
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